Tipps zum Selberlernen
Vorweg: Es gibt keine Wundermethode, aber viele leere
Versprechungen, mit denen man den Leuten das Geld aus der Tasche zieht.
Sprachenlernen ist allemal Gedächtnisarbeit, (d.h. Wiederholungsarbeit!), die
einem keiner abnehmen kann. Es gibt allerdings hochbegabte Sprachtalente mit
einem Supergedächtnis, aber bis heute weiß die Wissenschaft nicht so recht, wie
sie es schaffen, so viele Sprachen zu behalten, ohne sie auch oft zu
gebrauchen. Ich selbst habe mich z.B. sprachlich auf Auslandsaufenthalte in
Finnland und dem damaligen Jugoslawien gründlich vorbereitet und mich
alltagsprachlich ein wenig durchgekämpft, habe aber danach alles wieder sehr
schnell vergessen, ja: komplett vergessen. Selbst mein Englisch (schließlich
habe ich je ein Jahr zuerst in den USA, dann in England verbracht) bröckelt
allmählich ab, durch Nichtgebrauch.
Shadowing.
Ich empfehle das Shadowing, wie es
der polyglotte Alexander Arguelles propagiert, ausgefeilt und über seine eigene
Website (http://foreignlanguageexpertise.com/) und Youtube vorbildlich
demonstriert hat. Es ist eine Art Echosprechen. Hauptsächlich (nicht
ausschließlich) mit dieser Selbstlerntechnik hat sich Arguelles über 20
Sprachen erarbeitet. Benötigt werden ein fremdsprachliches, gedrucktes Original
nebst Übersetzung, dazu eine Audioversion. Damit wird ein wenig an den
Trojaentdecker Heinrich Schliemann erinnert, der ebenfalls mit Ganzschriften
und Übersetzungen arbeitete, allerdings gab es noch keine Audioversionen.
Das konzentrierte, laute Nachsprechen erfolgt am besten im Gehen
(Alexander Arguelles empfiehlt strammes Gehen), draußen, mit Kopfhörer und dem
Buch in der Hand. Man kann sich dieses Multitasking schrittweise
erarbeiten, indem man z.B. zunächst die Übersetzung liest und neben das
Original hält. So hat es auch Schliemann gehalten: Um eine neue Sprache zu
lernen, nahm er vorzugsweise einen alten, ihm schon gut bekannten Text, der ihm
übersetzt in der zu lernenden Sprache vorlag. Man lernt etwa in der Art, wie auch
Simultandolmetscher zugleich beides können, abhören und sprechen/übersetzen.
Um Mut zu fassen, versuche man das gleichzeitige Hören und Echosprechen
mit muttersprachlichen Texten: Es geht! Dabei merkt man auch, dass es nicht
mit jedem Text gleich gut geht, da manche Texte zu schnell gesprochen werden.
Statt mit Kopfhörer und Buch in der Hand zu marschieren, kann man auch
mal probieren, bei leichten Küchenarbeiten, die kaum Aufmerksamkeit abziehen,
einen bekannten, wohl verstandenen Text abzuhören und laut mitzusprechen.
Regelmäßiges Üben mit vielen Wiederholungen ist nötig. Wir sind ja statistical learners, unser Gehirn verrechnet
Schrift-Laut-Korrespondenzen und andere Regelmäßigkeiten, etwa Endungen, die
immer kombiniert mit anderen Elementen auftauchen. Dazu braucht man aber
Stehvermögen. – Arguelles ist keiner, der eine Wundermethode fanatisch
vertritt, sondern empfiehlt, selbst zu experimentieren. Er ist ein
Sprachenliebhaber, der sich auch entsprechend Zeit zum Lernen nimmt.
Ich hab es selbst noch nicht ausprobiert, aber es gibt
einen freeware sound editor „Audacity“, mit dem man
Hörtexte ohne Verzerrungen verlangsamen kann. Alexander Arguelles schrieb mir
dazu Folgendes: „On MP3 players that have been designed for audiobook
listeners in mind (such as my Sansa Clip + from SanDisk), there is a
built-in speed control that allows you to listen at slow, normal, or even
high speed if you should wish.“
Beim shadowing sollten
Sie auch experimentieren. Einige empfehlen z.B., nur mit der Audioversion zu
beginnen, d.h. diese ohne Text und ohne Übersetzung halb mitzusprechen, halb
nachzusprechen (blind shadowing). Dann den Text
mitsprechen und zugleich die Übersetzung mitverfolgen. Danach erst den
gedruckten Text mitzunehmen usw. Den muss man sowieso außen vor lassen bei
anderen Schriftsystemen, es sei denn, es ist Mandarin-Chinesisch, da sollte man
die Pinyin-Version benutzen (also die Umschrift der
chinesischen Schrift auf der Basis des lateinischen Alphabets).
Beim shadowing ist
das Gehirn damit beschäftigt, ständig die zwei Informationskanäle
miteinander zu verbinden, d.h. Gesehenes und Gehörtes miteinander
abzugleichen. Wir müssen uns bemühen, dabei primär dem Gehörten den Vorrang zu
lassen und den gedruckten Text nur nebenher wahrzunehmen, gewissermaßen
peripher (um nicht nach der Schrift auszusprechen, z.B. Englisch post wie deutsch Post).
Eine zweisprachige Textausgabe, d.h. eine gute Übersetzung
genügt nicht bei Sprachen, die ziemlich anders gebaut sind als das
Deutsche. Hier empfehle ich die schon seit langem auf dem Markt
befindlichen Assimil-Kurse, weil sie mit der guten Übersetzung auch eine
wörtliche Übersetzung bieten. Man benutze auch die Kauderwelsch-Reihe, die
Zweifach-Übersetzungen liefern, aber nur Einzelsätze, keine Texte. Beim Sprachenlernen
müssen wir nämlich nicht nur verstehen, was gemeint ist, also französisch „huit
heures moins cinq“ heißt „fünf vor acht“, wir müssen auch verstehen, wie’s
gesagt ist, Wort für Wort: „acht Stunden weniger fünf“: Das ist das berühmte
Doppelverstehen, die Grundbedingung allen Spracherwerbs. Die fremde Sprache
wird durchschaubar, sie wird in der Muttersprache gespiegelt, und wir können
eigene Sätze riskieren. Noch ein Beispiel: Wir sagen: „Guten Appetit“, wie die
Franzosen „Bon appétit“ sagen, doch im Englischen heißt es „Enjoy your
meal.“ Aber nur wenn wir auch wissen, dass es wörtlich „genieße dein Essen“
heißt, können wir uns an eigene Sätze nach gleichem Muster heranwagen, etwa
„enjoy the game“ , enjoy the dance“, enjoy your icecream“ usw.
Sehr gute Tipps hat Robert Kleinschroth, Sprachen lernen. Der Schlüssel zur richtigen Technik. Rororo
Die Sprache wollen.
Wer sich Zeit für eine Sprache nimmt, hat diese Sprache schon
angenommen. Denn zum fruchtbaren Lernen gehört eine gefühlsmäßige Bereitschaft.
Manchmal ist es schlicht die Einsicht in die Notwendigkeit. Not lehrt beten und
Not lehrt lernen, auch Sprachen lernen. Als Grillparzers Abreise nach London
heranrückt, versucht er es zunächst mit Privatlehrern, gibt dann auf und
beschließt, “erst im Strome selbst das Schwimmen zu versuchen.” (Selbstbiographie). Viele Emigranten, die ihr Land Hals
über Kopf verlassen mußten, um ihre nackte Haut zu retten, hatten da gar keine
Wahl. „Sprache stellt sich ein durch Notwendigkeit…oder sie stellt sich ein,
weil ich das will, dringend will, und weil ich mich dringend darum bemühe.
Sprache kann nicht gemacht und sie kann nicht verordnet werden, sie muß sich
einstellen.” (Peter Bichsel, Praxis Deutsch 1997,
7)
Tomado de: http://fremdsprachendidaktik.de/?p=142